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Schreibtischklausel in Berufsunfähigkeitsversicherungen ungültig

Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. März 2017 war es der Volkswohl-Bund, der jetzt das vom Bundesverband der Verbraucherzentralen angestrengte Gerichtsverfahren in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof verlor. Mit Urteil vom 15. Februar 2017 (Az. IV ZR 91/16) nahmen die Richter eine Position ein, die eine spezielle und seit Jahren ausgeübte Praxis, die Verbraucher deutlich benachteiligte, beendete.

Was genau ist die Schreibtischklausel?

Um zu verstehen, worum es im Kern geht, muss der Blick auf das Bürgerliche Gesetzbuch gerichtet werden. In § 307 Abs. 1 BGB wird an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Bedingung gestellt, dass die Rechte und Pflichten der Vertragspartner dort klar und transparent formuliert sein müssen, sodass die tatsächliche Tragweite eines Vertrags erkannt werden kann. Das bedeutet in der Praxis: Wenn zu einem Vertrag gehörende AGB unklar formuliert wurden oder einen der Vertragspartner unangemessen beteiligen, sind sie ungültig. Das gilt selbstverständlich auch für die in der Versicherungsbranche verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Um diese auch als Transparenzgebot bezeichnete Vorgabe ging es bei der Klage gegen den Volkswohl-Bund im Zusammenhang mit dessen Berufsunfähigkeits-Versicherungen.

Den Kunden, die beim Volkswohl-Bund eine BU-Versicherung abschließen wollten, wurden zwei Angebote vorgelegt: eine typische private BU-Versicherung, die sich im Leistungsfall auf den zuletzt ausgeübten Beruf bezog, und eine weitere Variante, deren Jahresbeitrag um mehr als 450 Euro geringer war und diese Klausel enthielt:
„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis.“ (Quelle: o. g. BGH-Urteil)

Was genau hat der BGH beanstandet?

Für den Laien wird aufgrund der Formulierung der Klausel der Eindruck erweckt, dass für die Leistungsprüfung die zuletzt ausgeübte Tätigkeit herangezogen wird, sofern die Bedingung an die Schreibtischarbeit erfüllt wird. Für die meisten Verbraucher geht aus dem Text allerdings nicht hervor, was tatsächlich gemeint ist: Der vollständige Versicherungsschutz orientiert sich nicht am Beruf, der zuletzt konkret ausgeübt wurde, sondern auf eine fiktive Tätigkeit, die zu 90 % sitzend verrichtet wird. Aus diesem (gewollten oder ungewollten) Missverständnis ergibt sich im Versicherungsfall eine deutliche Deckungslücke, auf die es jedoch in den AVB keinen Hinweis gibt. Der Senat hatte deutliche Kritik an den Folgen der Schreibtischklausel geübt: Kommt es zum Versicherungsfall, können Kunden nur das Niveau einer modifizierten Erwerbsunfähigkeitsversicherung im Rahmen der gesetzlichen Definition erwarten. Zur Erläuterung: Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung zahlt nur, wenn der Versicherte weder im zuletzt ausgeübten noch in einem anderen Beruf arbeiten kann. Die Hürden sind hier also sehr hoch, um in den Genuss von Versicherungsleistungen zu kommen. Die von den Versicherungskunden gewünschte BU-Versicherung soll aber die Lebenssituation absichern, in der sich der Versicherte zum Zeitpunkt des Eintritts seiner Berufsunfähigkeit befunden hat. Das ist ein deutlicher Unterschied, der den meisten Verbrauchern erst dann aufgefallen sein dürfte, wenn sie in die versicherte Situation gekommen sind.
Das Argument des Versicherers, seine Kunden hätten keinesfalls nur die Wahl zwischen diesen beiden Angeboten, sondern könnten auch Varianten, die sich zwischen diesen Extremen befinden wählen, schien beim BGH als Schutzbehauptung angekommen zu sein: Er stellte klar, dass der Volkswohl-Bund seinen Kunden gegenüber den Eindruck erweckt habe, dass es keine weiteren Wahlmöglichkeiten gibt.

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