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Dürfen Lebensversicherer Bewertungsreserven kürzen?

Was Bewertungsreserven sind und wie der BGH die Sache sieht, erfahren Sie hier:

Was sind Bewertungsreserven?

Bewertungsreserven sind auch unter dem Begriff „stille Reserven“ bekannt. Sie liegen immer dann vor, wenn der aktuelle Kurswert eines Wertpapiers dessen ursprünglichen Kaufpreis übersteigt. Eine Bewertungsreserve entsteht also dann, wenn Wertpapiere zu einem Festzins angelegt wurden, das allgemeine Zinsniveau jedoch sinkt. Die so entstehenden Bewertungsreserven sind nur ein theoretischer Wertzuwachs, aber keine Gewinne. Sie haben den Zweck, Kapitalmarktschwankungen auszugleichen und die den Kunden versprochenen Renditen zu erwirtschaften. Dieses Prinzip funktioniert jedoch nur dann, wenn die Anlagen mit einem Kursgewinn verkauft werden, noch bevor sie fällig werden. Angesichts der bereits lange anhaltenden Niedrigzinsphase ist diese Vorgehensweise problematisch geworden: Es haben sich große Reserven angesammelt, bei einer Realisierung könnten allerdings nur noch Kapitalanlagen getätigt werden, die wesentlich geringer verzinst sind. Mit dem seit dem 1. August 2014 geltenden Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) ist der Gesetzgeber den Versicherungsunternehmen bei der Lösung dieses Problems entgegengekommen: Die Assekuranzen müssen nur noch denjenigen Anteil an festverzinslichen Bewertungsreserven an ihre Kunden ausschütten, der oberhalb des Sicherungsbedarfs der Versicherer liegt. Für die meisten Kunden hat dieses Vorgehen eine geringere Ausschüttung zur Folge. Vor dem Inkrafttreten des LVRG stand den ausscheidenden Versicherten die Hälfte davon zu. Es geht dabei durchaus um sehr große Beträge: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ermittelt, dass die saldierten Bewertungsreserven aller Versicherungsunternehmen 2017 ca. 132 Milliarden Euro betragen haben. Eine Größenordnung, die den Bund der Versicherten (BdV) dazu gebracht hat, einen Versicherten im Prozess gegen die Victoria-Versicherung (Ergo-Konzern) zu vertreten.

Darüber hat der BGH entschieden

Der BdV hält die gem. des LVRG geltende Praxis für nicht gerechtfertigt und sieht eine deutliche Benachteiligung der Versicherungskunden. Dem von ihm vertretenen Kunden hatte die Victoria-Versicherung kurz vor dem Inkrafttreten des LVRG zugesagt, dass dieser unter Vorbehalt bei Vertragsende eine Ausschüttung an der Bewertungsreserve in Höhe von 2.821,35 Euro zu erwarten habe. Tatsächlich wurden jedoch nur 148,95 Euro ausgezahlt. Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) sahen jedoch weder ein Fehlverhalten der Versicherung noch eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Sie würdigten außerdem die im selben Gesetz vorgenommenen Maßnahmen, die dazu dienen, sowohl die Interessen der ausscheidenden als auch der verbleibenden Versicherten zu berücksichtigen. Der Fall wurde jedoch an die Vorinstanz zurückverwiesen, weil dort nicht festgestellt worden war, ob die einfach-rechtlichen Bedingungen für das Herabsetzen der Bewertungsreserve bei dem durch den BdV vertretenen Versicherungsnehmer überhaupt bestanden haben. Der Versicherer hätte seinem Kunden erläutern müssen, wie es zu der Kürzung gekommen ist.

Der BdV will noch nicht aufgeben, sondern beim Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob das LVRG mit dieser Regelung verfassungskonform ist. Bis ein Urteil aus Karlsruhe zu erwarten ist, dürften einige Jahre vergehen.

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